Der seit einiger Zeit zu beobachtende Trend der Abwanderung aus den Zentren großer Metropolen in die jeweiligen Speckgürtel könnte durch die Corona-Pandemie deutlich verstärkt werden. Darauf lassen die Ergebnisse einer umfangreichen aktuellen Befragung schließen, die vom ifo Institut und dem Immobilienportal immowelt durchgeführt wurde. Insgesamt wurden dabei mehr als 18.000 Personen in Deutschland zu ihren Präferenzen bezüglich des Wohnortes befragt. Unter den Befragten aus Großstädten mit mehr als einer halben Million Einwohnern äußerten dabei 13 Prozent – also mehr als jeder achte – die Absicht, ihren aktuellen Wohnort innerhalb des nächsten Jahres zu verlassen. Davon sagten 46 Prozent, ihre Entscheidung sei durch die Corona-Pandemie beeinflusst worden.
Darüber hinaus erwägen 18,5 Prozent der Befragten aus dem urbanen Raum einen solchen Wohnortwechsel innerhalb der nächsten zwei bis fünf Jahre, und für weitere 24,4 Prozent kommt ein solcher Umzug zumindest grundsätzlich infrage. Umgekehrt lässt sich daraus schließen, dass nur weniger als die Hälfte der Einwohner in den Zentren von Großstädten mit ihren Wohnorten so zufrieden sind, dass sie einen Wegzug gar nicht in Erwägung ziehen.
Jan-Carl Mehles, Leiter der Marktforschung bei immowelt und Co-Autor der Studie, betonte bei der Veröffentlichung der Ergebnisse, viele Befragte hätten angegeben, bei den eigenen Wohnverhältnissen künftig weniger Kompromisse eingehen zu wollen, weil sie pandemiebedingt mehr Zeit zu Hause verbrächten. Auf die Frage nach dem Ziel des geplanten Umzuges wurden kleinere Großstädte mit 100.000 bis 500.000 Einwohnern sowie suburbane Lagen im Speckgürtel von Großstädten mit 38 Prozent beziehungsweise 30 Prozent am häufigsten genannt. Im ländlichen Raum wollen dagegen nur 11 Prozent und somit relativ wenige der Befragten wohnen.
Unter denjenigen, die ihren Wohnsitz gern in kleinere Großstädte oder in den suburbanen Raum verlagern möchten, sind vor allem Familien mit Kindern sowie jüngere Altersgruppen in der Familiengründungsphase. Mathias Dolls, ifo-Forscher und ebenfalls Co-Autor der Studie, wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine bessere Anbindung des suburbanen Raumes an den urbanen Raum sowie der Ausbau der Bildungsinfrastruktur in den von diesen Wanderungsbewegungen betroffenen Kommunen eine immer größere Bedeutung haben werden. Interessant ist übrigens auch, dass die Einschätzungen und Motive der umzugswilligen Großstadtbewohner indirekt von denjenigen bestätigt zu werden scheinen, die bereits außerhalb der metropolitanen Zentren leben: Sie sind offenbar mit ihren Wohnorten weitestgehend zufrieden, denn unter ihnen ist die Umzugsbereitschaft deutlich weniger ausgeprägt.
„Die Positionen der im Rahmen der Studie befragten decken sich mit unseren Erfahrungen aus Gesprächen mit potenziellen Wohnungsmietern und -käufern. Es geht den Miet- und Kaufinteressenten meist nicht um ländliche Idylle, sondern um eine angenehmeres, entspannteres Wohnumfeld als in den Großstadtzentren, von dem aus urbane Strukturen, Einkaufsmöglichkeiten, weiterführende Bildungseinrichtungen sowie kulturelle Angebote bei Bedarf jedoch relativ schnell erreichbar sind“, kommentiert Jacopo Mingazzini, Vorstand von The Grounds, die Ergebnisse der Studie von ifo Institut und immowelt. „Verstärkt wird der Trend in Städten wie Berlin noch durch die Tatsache, dass das Wohnungsangebot und die Neubauaktivitäten schon seit Jahren nicht mehr mit der Nachfrage Schritt halten.“