Die designierte Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, hat sich dafür entschieden, dass es in Berlin auch in der kommenden Legislaturperiode eine von SPD, Grünen und Linken gebildete Landesregierung geben soll. Nicht wenige ihrer Wähler dürften ihre Stimme für die SPD allerdings mit der Hoffnung verbunden haben, sie werde sich für eine Koalition mit CDU und FDP beziehungsweise mit Grünen und FDP entscheiden, zumal sie vor der Wahl durchaus entsprechende Sympathien erkennen ließ. Diese Hoffnungen haben sich nun leider nicht erfüllt, und insbesondere mit Blick auf Themen wie Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen weckt der nun vorliegende Koalitionsvertrag von Rot-Grün-Rot eher Skepsis als Zuversicht.
Zwar heißt es darin, man wolle den Wohnungsneubau sowie die dazugehörige Infrastruktur „mit höchster Priorität“ voranbringen und künftig pro Jahr 20.000 neue Wohnungen bauen, von denen möglichst die Hälfte im „gemeinwohlorientierten und bezahlbaren Segment“ errichtet werden solle. Und bis 2030 sollen in Berlin insgesamt sogar 200.000 neue Wohnungen entstehen. Allerdings stellt sich die Frage, warum und vor allem wie dies nun ausgerechnet jener Regierungskoalition gelingen sollte, die die entsprechenden Ziele in den zurückliegenden fünf Jahren haushoch verfehlt hat. Zuletzt gingen die Wohnungsbauaktivitäten in Berlin sogar zurück, obwohl dringend mehr neue Wohnungen benötigt werden. Mag sein, dass ein künftig von der SPD geführtes Bauressort tatsächlich einen ausgeprägten Willen zum Neubau zeigen wird, nachdem dieser zuletzt unter linker Führung des Ressorts kaum noch sichtbar war. Doch die Linken sitzen weiterhin mit am Senatstisch, ebenso wie die Grünen, die unter anderem die Verantwortung dafür tragen, dass der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg mit seinem grünen Baustadtrat sich in der ersten Jahreshälfte 2021 auf den berlinweit letzten Platz in puncto Baugenehmigungen für Wohnungen „vorgearbeitet“ hat.
Wirkungsvolle Maßnahmen zur Förderung der Bildung von Wohneigentum sind im Koalitionsvertrag nicht zu erkennen, obwohl dies als Ziel in der Berliner Landesverfassung festgeschrieben ist. Ebenso wenig ist eine Abkehr von der exzessiven Ausweisung sogenannter Milieuschutzgebiete erkennbar, die sich – abgesehen von fragwürdigen methodischen Grundlagen – immer mehr zu einem Hindernis für einen funktionierenden Berliner Wohnungsmarkt entwickeln. Und bei Projektentwicklungen im Wohnungsneubau sollen Eigentumswohnungen zur Subventionierung preisgünstiger Mietwohnungen dienen, sodass der Eigentumserwerb sich weiter überproportional verteuert.
„Hätte man große Hoffnungen in den Koalitionsvertrag gesetzt, wäre das inzwischen vorliegende Papier eine mehr als herbe Enttäuschung. Für Mieterinnen und Mieter fehlt es weiterhin an überzeugenden und tragfähigen Lösungsansätzen zur Behebung der Wohnungsknappheit in Berlin. Eigentümerinnen und Eigentümern hingegen wird signalisiert, dass sie in Berlin eigentlich nicht erwünscht sind“, sagt Jacopo Mingazzini, Vorstand von The Grounds. „Das verstößt einerseits gegen die Berliner Landesverfassung, dürfte aber jenseits der Berliner Landesgrenzen für einen weiteren Aufschwung sorgen. Die Abwanderung aus Berlin in Umlandgemeinden sowie zunehmend auch in weiter entfernt liegende Städte und Gemeinden Brandenburgs wird unter diesen Bedingungen mit Sicherheit anhalten.“