In ihrem unterzeichneten Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP sich im Hinblick auf den Wohnungsneubau ein ambitioniertes Ziel gesetzt. Insgesamt sollen bundesweit Jahr für Jahr 400.000 neue Wohnungen entstehen, jeweils 100.000 davon mit öffentlicher Förderung. Vor allem bei Wohnungssuchenden in großen Metropolen wie Berlin oder München dürften diese Zahlen große Hoffnungen wecken. Doch wo sollten tatsächlich neue Wohnungen entstehen, und wo drohen möglicherweise Fehlinvestitionen? Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) im Auftrag der Deutschen Reihenhaus AG ist dieser Frage aus aktuellem Anlass nachgegangen.
Das aus Berliner oder Münchener Sicht zunächst vielleicht überraschend anmutende Resümee der Kölner Wissenschaftler lautet: Mit 400.000 geplanten neuen Wohnungen jährlich würde die Koalition eigentlich über das Ziel hinausschießen. Aktuell entstünden pro Jahr etwa 306.000 Neubauwohnungen, notwendig seien 308.000. Eine leichte Steigerung der Neubauaktivitäten wäre demnach ausreichend. Das Problem dabei ist allerdings die regionale Verteilung von tatsächlichen und notwendigen Neubauaktivitäten. Zwar gebe es in den Ballungsräumen einen großen Wohnungsbedarf, auf dem Land dagegen sei dieser überschaubar, so die Experten des IW. Und aktuell entstehe viel Wohnraum in Regionen, die künftig stagnieren oder sogar schrumpfen dürften, sodass dann dort Leerstand drohe, während in Großstädten viel zu wenig gebaut werde.
Für die kommenden Jahre rechnet das IW mit einem weiteren starken Zuzug in die Großstädte. Wenngleich mehr Deutsche mobil arbeiten und seltener pendeln würden, andere sich die grundsätzliche Orientierung an einer Stadt nicht. Allein in den sieben größten Städten Deutschlands müssten deshalb bis 2025 etwa 58.100 Wohnungen jährlich neu geschaffen werden, davon jeweils 22.200 in Berlin, 10.500 in Hamburg, 7.800 in München sowie 5.700 in Köln. Ralph Henger, Immobilienökonom beim IW, sagte: „Um den Wohnungsmangel zu beseitigen, muss in den nächsten Jahren in vielen Großstädten und in deren Umland deutlich mehr als bisher gebaut werden.“
In 209 der insgesamt 401 Kreise Deutschlands – also etwas mehr als der Hälfte – zeichnet sich jedoch künftig eine Schrumpfung der Bevölkerung ab, und in 202 Kreisen werden derzeit mehr Wohnungen gebaut als erforderlich. In vielen ländlichen Regionen drohen Henger zufolge in den nächsten Jahren massive Leerstände und Verfall, insbesondere in Regionen in Sachsen-Anhalt sowie im Saarland. Von bedarfsgerechtem Neubau könne keine Rede sein, und es wäre sinnvoller, die Einzugsbereiche von Großstädten zu erweitern und stärker in die angrenzende Infrastruktur zu investieren. Dagegen müsse das Ziel auf dem Land mehr Sanierung und Erhaltung bei deutlich weniger Neubau sein.
„In Berlin und Brandenburg beobachten wir bereits seit einigen Jahren, wie sich der Einzugsbereich der Bundeshauptstadt zunehmend erweitert und eine deutliche Zuwanderung in die Umlandgemeinden, zunehmend aber auch in weiter entfernt liegende regionale Zentren Brandenburgs stattfindet“, sagt Jacopo Mingazzini, Vorstand von The Grounds. „Da künftig eher noch eine Verstärkung als eine Abschwächung dieser Trends zu erwarten ist, bieten diese Standorte und Regionen Immobilienkäufern nicht nur kurzfristig Alternativen zum angespannten Berliner Wohnungsmarkt, sondern auch auf lange Sicht interessante Perspektiven im Hinblick auf die Entwicklung von Immobilienwerten und Mietpreisen.“