Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland schienen in den vergangenen Monaten nur eine Richtung zu kennen: nach oben. Im September 2021 hatte das Statistische Bundesamt bekannt gegeben, dass im zweiten Quartal mit einem Plus von 10,9 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahresquartal der stärkste jemals registrierte Anstieg der Wohnimmobilienpreise seit dem Beginn der Zeitreihe beobachtet worden sei. Und am 22. Dezember 2021 meldete die Behörde, dass deutsche Wohnimmobilien sich im dritten Quartal 2021 sogar um 12,0 Prozent verteuert und den eben erst erreichten Rekord damit bereits gebrochen hätten. Angesichts dieser Entwicklung fragen sich Investoren zunehmend, ob dies auf die Entwicklung einer Immobilienpreisblase – und somit auf entsprechendes Rückschlagspotenzial – hindeute oder ob der Boom weiter anhalten werde.
Das Handelsblatt nahm das in dieser Woche zum Anlass, eine Reihe von Experten und Marktteilnehmern nach ihren Einschätzungen zu fragen. Zu denjenigen, die vor Überhitzungen warnten, gehörte neben der Bundesbank auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Das DIW sieht derzeit zwar noch keine Anzeichen für exzessive fremdfinanzierte Spekulationsblasen und betrachtet die Gefahr einer flächendeckenden Immobilienpreisblase in Deutschland als überschaubar. Gleichzeitig wird jedoch darauf hingewiesen, dass es in einer wachsenden Zahl von Regionen und Marktsegmenten zu spekulativen Übertreibungen komme, wo dann in den kommenden Jahren auch größere Preiskorrekturen möglich seien. Dies betreffe insbesondere Eigentumswohnungen und Baugrundstücke in Metropolen wie Berlin, Hamburg und München. Dass die Kaufpreisfaktoren deutlich höher liegen als noch vor zehn Jahren und die Preise zuletzt deutlich stärker stiegen als die Mieten, bestätigen auch andere Marktbeobachter.
Dem stehen allerdings mehrere Trends gegenüber, die eher eine Verlangsamung des Preisanstieges als eine Preiskorrektur erwarten lassen. So zitiert das Handelsblatt in seinem Beitrag Thomas Beyerle, Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Biberach, mit der Prognose, billiger werde es nicht. Seine Einschätzung begründet der Experte mit dem weiter bestehenden Knappheitsverhältnis auf dem Markt, das aus einer nicht nachlassenden Nachfrage aus verschiedenen Kundenkreisen resultiere. Ein weiterer Einflussfaktor, der für weiter steigende Wohnimmobilienpreise spricht, sind die steigenden Kosten für Grundstücke, Baumaterialien und Löhne, kombiniert mit dem auch in der Bau- und Immobilienwirtschaft herrschenden Fachkräftemangel sowie zu erwartenden Verschärfungen von Klimaschutzauflagen, die ebenfalls preistreibend wirken dürften. So rechne etwa die Bank ING damit, dass die Preise für Neubauten mit etwa einem Jahr Verzögerung auf den Baukostenanstieg reagierten, was spätestens im dritten Quartal 2022 sichtbar werde. Einig seien sich Experten zudem darin, dass die zuletzt sehr niedrigen Bauzinsen zwar tendenziell steigen dürften, jedoch allenfalls sehr moderat. Darüber hinaus gewinne auch das Thema Inflation als Motiv für Immobilieninvestments wieder mehr an Bedeutung.
„Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Unterschied zwischen dem Markt für Wohneigentum und dem Mietwohnungsmarkt: Während der Mietwohnungsmarkt in Deutschland stark reglementiert ist, folgt die Entwicklung der Kaufpreise von Immobilien relativ frei dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage“, sagt Jacopo Mingazzini, Vorstand von The Grounds. „Ohne die starken Reglementierungen am Mietwohnungsmarkt wäre der zuletzt an vielen Standorten deutlich gewachsene Abstand zwischen Mieten und Kaufpreisen deutlich geringer. Insgesamt sollte sich lieber niemand Hoffnungen machen, in den deutschen Metropolen demnächst viel günstiger kaufen zu können. Und wer dort bereits Wohneigentum besitzt, braucht auch bei einer Abschwächung des Preiswachstums keine größeren Wertverluste zu befürchten. Falls die Preise künftig langsamer steigen sollten als zuletzt, wäre das kein Problem, sondern eher eine Normalisierung nach einer Phase überdurchschnittlicher Preissteigerungen. Angesichts des hohen aktuellen Preisniveaus ist es aber logisch, dass Interessenten zunehmend auf Standorte im Umland ausweichen, wo die Grundstückspreise oft signifikant niedriger sind als in den Zentren der Metropolen.“