Die zunehmende Arbeit im Homeoffice sowie steigende Wohnkosten waren in den zurückliegenden Monaten vor allem viele Menschen aus deutschen Großstädten ein Motiv für einen Umzug an einen anderen Wohnort. Der mit Abstand größte Teil von ihnen zog jedoch nicht aufs Land oder in Kleinstädte, sondern bevorzugte die „Speckgürtel“ der Metropolen. Das ergab die Auswertung einer repräsentativen deutschlandweiten Umfrage unter 12.000 Personen, die das Münchener ifo Institut im Herbst 2022 zusammen mit dem Immobilienportal immowelt durchgeführt hat.
Demnach ließen sich 38 Prozent derjenigen, die eine Großstadt verlassen haben, in deren Speckgürtel nieder. Weitere 30 Prozent wechselten in kleinere Großstädte mit Einwohnerzahlen zwischen 100.000 und einer halben Million. Dagegen entschieden sich nur neun beziehungsweise fünf Prozent der ehemaligen Großstadtbewohner für Kleinstädte oder den ländlichen Raum. Ähnlich verhält es sich bei den zehn Prozent der befragten Großstädterinnen und Großstädter, die innerhalb der kommenden zwölf Monate einen Umzug planen. Hiervon streben 40 Prozent einen Wechsel in eine kleinere Großstadt und 22 Prozent einen Umzug in den Speckgürtel an, während Kleinstädte und der ländliche Raum mit acht beziehungsweise zwölf Prozent auch in dieser Gruppe zu den am seltensten genannten Umzugszielen gehören.
Mathias Dolls, stellvertretender Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen, verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die Corona-Pandemie entgegen manchen Erwartungen keine Flucht aufs Land ausgelöst habe. Die Resultate der jüngsten Befragung deuteten darauf hin, dass diese auch in Zukunft nicht zu erwarten sei. Im Vergleich zu einer vorherigen Befragung im Mai 2021 spielten finanzielle Gründe inzwischen eine wichtigere Rolle bei räumlichen Veränderungen. Die Befragten hätten vor allem höhere Kaltmieten und Energiepreise als wesentliche Kostentreiber genannt. Während im Mai 2021 zwölf Prozent der Befragten angegeben hatten, sie sähen die Wohnkosten als große finanzielle Belastung, sei dieser Anteil zuletzt auf 20 Prozent gestiegen. Zudem hätten zwölf Prozent derjenigen, die innerhalb des nächsten Jahres umziehen wollen, finanzielle Belastungen als Hauptgrund für den Umzug genannt, während finanzielle Gründe vor der Energiekrise nur eine untergeordnete Rolle als Motiv für einen Wohnortwechsel gespielt hätten.
Ein wichtiger Aspekt sei zudem der starke Anstieg des mobilen Arbeitens beziehungsweise des Arbeitens von zu Hause aus oder im Rahmen sogenannter hybrider Modelle. So könnten Beschäftigte, die ihren Arbeitsort nur noch an zwei bis drei Tagen pro Woche aufsuchten, längere Pendelzeiten akzeptieren, um dafür an ihren bevorzugten Wohnort ziehen zu können. Schon in der Umfrage vom Mai 2021 habe sich abgezeichnet, dass der größere Anteil der zu Hause verbrachten Zeit zu einer geringeren Kompromissbereitschaft bezüglich der eigenen Wohnverhältnisse führen könne, beispielsweise mit Blick auf das Vorhandensein eines Arbeitszimmers oder eines eigenen Gartens.
„Die Ergebnisse dieser Studie decken sich mit den Erfahrungen, die wir im Gespräch mit Kauf- und Mietinteressenten bei unseren Projekten und Vermietungsbeständen im Berliner Umland machen. Mehr Wohnfläche und einen höheren Standard für das gleiche Geld zu bekommen oder ihre Wohnkostenbelastung ohne Qualitäts- und Komforteinbußen zu reduzieren, sind für viele Menschen starke Motive, sich im Umland anzusiedeln. Die Metropole mit ihren vielfältigen kulturellen Angeboten und Einkaufsmöglichkeiten liegt dann immer noch in Reichweite, aber man muss dann nicht mehr am angespannten Berliner Wohnungsmarkt mit Hunderten von anderen Interessenten um wenige Angebote konkurrieren und kann das alltägliche Leben in vielerlei Hinsicht entspannter gestalten“, kommentiert Jacopo Mingazzini, Vorstand von The Grounds. „Gleichzeitig spielen Infrastrukturdefizite, wie sie im ländlichen Raum oft anzutreffen sind, im Berliner Umland keine Rolle.“