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Neubau-Hemmnisse überwinden: Kommunen und Länder sind gefragt

Neubau-Hemmnisse überwinden: Kommunen und Länder sind gefragt

Nach wie vor werden in Deutschland viel zu wenige Wohnungen gebaut und die Fertigstellungsziele auf Bundes- und Länderebene regelmäßig verfehlt, obwohl Politiker aller Ebenen, professionelle Investoren und zahlreiche Privatpersonen immer wieder bekunden, mehr bauen zu wollen. Mit den Ursachen dieser widersprüchlichen Situation und möglichen Lösungsansätzen befasste sich vor wenigen Tagen Mathias Hellriegel, Rechtsanwalt in Berlin und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (gif) in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 26. Oktober 2023. Mit Blick auf das bislang nicht einmal ansatzweise erreichte Ziel der Bundesregierung von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr – davon 100.000 Sozialwohnungen – verweist er einleitend darauf, dass ein solches Neubauziel keineswegs unerreichbar sei. In den alten Bundesländern sei in den 1970er-Jahren jährlich genau diese Anzahl an Wohnungen gebaut worden, und dies trotz der damaligen Ölpreiskrise und eines höheren Zinsniveaus. Seit der Bundestagswahl 2021 gebe es zwar wieder ein Bundesbauministerium, doch sei außer politischen Willensbekundungen und Maßnahmenpaketen, beispielsweise im Bündnis bezahlbarer Wohnraum oder beim Wohnungsgipfel im Kanzleramt, sei wenig passiert.

Vor diesem Hintergrund stellt sich der Autor die Frage, ob die Bundesregierung überhaupt „den Knoten durchschlagen“ und für viel mehr Wohnungen sorgen könne. Er verweist darauf, dass das Kanzleramt keine Baugenehmigung abstempele. Für das großmaßstäbliche Bauen brauche es Baugenehmigungen, und diese wiederum würden auf der Basis von Bebauungsplänen erteilt. Gerade daran fehle es besonders in Ballungsräumen, wo Bauherren häufig mit querulatorischen Nachbarn, zum Teil renitenten Verwaltungen und mancherorts auch mit unwilligen Politikern und überzogenen regulatorischen Anforderungen kämpften. Für diese Probleme, so Hellriegel, sei nicht der Bund, sondern die kommunale und lokale Ebene zuständig. Zudem liege die jeweilige Bauordnung, die das Verfahren für die Erteilung von Baugenehmigungen regelt und Anforderungen an Bauten definiert, in der Verantwortung der Länder. Deutschland leiste sich ungeachtet aller Vereinheitlichungsbemühungen der Musterbauordnung noch immer 16 Bauordnungen mit jeweils unterschiedlichen Anforderungen an das Bauen.

Vor Ort scheiterten Projekte häufig allerdings nicht am „rechtlichen Können, sondern am fehlenden politischen Wollen“. So böten auch Digitalisierungsgesetze keine Hilfe gegen überlange Verfahrensdauern und fehlenden Mut zur Zurückweisung von Einwänden von Fachbehörden oder von protestierenden Anwohnern mit Angst vor Nachverdichtung. Dabei habe das Bundesverwaltungsgericht bereits 1969 entschieden, dass der Plangeber sich im Rahmen der Abwägung bei einer Kollision verschiedener Belange für die Bevorzugung des einen und die Zurückstellung des anderen entscheiden dürfe. Doch die Städte seien nur selten so mutig, vehement vorgetragene Bedenken zurückzuweisen. Stattdessen komme es sogar vor, wie zuletzt beim Vorhaben Urbane Mitte in Berlin-Kreuzberg, dass Kommunen vom Vorhabenträger am Ende eines siebenjährigen Verfahrens mit durchgehend einstimmig gefassten positiven Beschlüssen plötzlich die Durchführung eines „runden Tischs“ verlangen, – obwohl dem Bebauungsplanverfahren ein Werkstattverfahren, ein Bürgerdialog und ein zweistufiger Architektenwettbewerb vorausgegangen waren.

Als Lösungsansätze nennt Hellriegel die Möglichkeit, dass die Bundesregierung den Einsatz der regulatorischen Instrumente des Miet- und Bauplanungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch und im Baugesetzbuch an das Erreichen von Planungszielen knüpfen könne. Die raumordnerische Landesplanung solle gestärkt werden, damit man gegenüber untätigen Planungsträgern verbindliche Planungsziele durchsetzen könne. Zudem gelte es, die Kompetenzzersplitterung und Luxus von 16 Bauordnungen zu überwinden. Abschließend unterbreitet der Autor drei praktische Vorschläge. Erstens sei eine Experimentierklausel zur Lösung der Gewerbelärmkonflikte nötig. Dieser Wunsch scheine beim Wohnungsgipfel im Kanzleramt erhört worden zu sein, dürfe aber nun nicht wieder – wie in der Vergangenheit – am Widerstand der Umweltminister scheitern. Zweitens brauche es erweiterte Befreiungsmöglichkeiten, vor allem, wenn „völlig aus der Zeit gefallene und in der Praxis längst nicht mehr maßgebliche Altbebauungspläne dringend benötigte Nachverdichtungen wie Aufstockungen und Dachgeschossausbauten verhindern.“ Und drittens sei es ist nicht an der Zeit, die „regulatorische Schraube“ wieder anzuziehen. Dies gelte insbesondere für die Kooperativen oder die Sozialgerechte Bodennutzung. Diese gäben richtige und wichtige Vorgaben für die Quartierentwicklung, aber weitere Verschärfungen drohten auch die noch vorhandenen Wohnungsbauvorhaben abzuwürgen. München habe das bereits erlebt und Berlin stehe mit einer geplanten Erhöhung der Sozialquote auf 50 Prozent kurz davor.

„Vor allem mit seinen Hinweisen auf die Probleme bei der Abwicklung der Planungs- und Genehmigungsverfahren vor Ort spricht der Autor einen wirklich kritischen Punkt an. Diese Probleme können kaum durch Regelungen auf Bundesebene gelöst werden und gehören stattdessen ganz oben auf die Agenda der Kommunal- und Landespolitik“, sagt Jacopo Mingazzini, Vorstand von The Grounds. „Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass die neue bayerische Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen hat, mit denen das Bauen erleichtert und bürokratische Hürden abgebaut werden sollen. Auch für Berlin wurde ein Gesetz angekündigt, um den Wohnungsbau in der Hauptstadt zu endlich beschleunigen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Pläne zügig umgesetzt werden und andere Bundesländer zu einem ähnlichen Vorgehen inspirieren.“

Der neue Koalitionsvertrag zwischen der CSU und den Freien Wählern in Bayern sieht einige Erleichterungen beim Bauen vor. Der Berliner Senat hat für das erste Quartal 2024 ein „Schneller-Bauen-Gesetz“ angekündigt. Im Fokus sollen neben einer Einführung neuer und der Anpassung bestehender gesetzlicher Regelungen auch Verbesserungen der Verwaltungsverfahren stehen. Der Referentenentwurf soll im Dezember 2023 vorliegen.